



Doppelt bestraft
Paul Ignaz Vogel
Schuld und Sühne. Nach unserer Rechtsauffassung ist jeder einstige Straffällige nach Verbüssung der Straftat ein freier Mensch. Im Rahmen einer kommunalen Sozialhilfe missbraucht ein Hilfswerk ihm zugespielte Daten über einen Klienten.
Adrian S. (Pseudonym) wurde als Kind einer Schweizerin und eines Portugiesen im Jahre 1978 geboren. Seitdem er siebenjährig war, wurde er sexuell missbraucht. Schwerste Entwicklungsstörungen sind die Folgen. Der psychische Leidensdruck wird so stark, dass er mit 19 Jahren eine Kurzschlusshandlung begeht und seinen Peiniger kurzerhand erschiesst. Es folgen sieben Jahre Gefangenschaft zur Sühne. Nach der Entlassung aus der Strafanstalt gibt es eine Bewährungsfrist; ein Bewährungshelfer steht dem nunmehr freien Adrian zur Seite. Er äussert sich heute positiv zu diesem Mitmenschen und seiner Hilfe. Wiederum in Freiheit kann Adrian seine Berufslehre als Maurer abschliessen und erhält das eidgenössische Fähigkeitszeugnis.
Weg in die Sozialhilfe
Doch nach Abschluss der Lehre findet Adrian nur sehr schlecht den Anschluss ins Berufsleben. Die Wege zur Integration in die Gesellschaft bleiben ihm versperrt. Er verliebt sich in eine drogenkranke Frau. Nach dem Ende der Beziehung folgt der vollkommene Absturz. Der junge Maurer wird arbeitslos. Er durchwandert während zwei Jahren die klassische, vom Gesetzgeber vorgesehene Karriere eines ALV-Versicherten mit bürokratischen Schikanen, temporären Arbeits-Einsatzprogrammen und schliesslich der Aussteuerung, dem Tor zur Ausweglosigkeit. Sodann nimmt ihn die Sozialhilfe in seinem Dorf auf. Man vermittelt ihn für einen neuen Einsatz bei einem Hilfswerk, das im Rahmen der blühenden Armutsindustrie temporäre Arbeitseinsätze anbietet. Adrian wünscht sich einen Neuanfang.
Datenschutz missachtet
Adrian ist nach Ende seiner Bewährungsfrist schon seit Jahren ein freier Mensch. Doch die Betreuerin des Hilfswerkes erhält von der Gemeinde vertrauliche Personalakten und missbraucht sie unter Missachtung sämtlicher Rechtsnormen. Wenn jemand seine gerichtlich zugesprochene Strafe verbüsst hat, gewinnt dadurch die Gesellschaft nicht das Recht, den Menschen wie ein Freiwild ein zweites Mal auszugrenzen, zu diskriminieren, zu bestrafen. Doch genau das tut die Betreuerin des Hilfswerkes, indem sie ohne eine Vollmacht von Adrian und hinter dessen Rücken mit dem ehemaligen Bewährungshelfer Kontakte aufnimmt und zusätzliche Informationen über das abgebüsste Strafverfahren einholt. Aufgrund dieser Erkundigungen setzt sie diffuse, mit dem Verurteilungsgrund von Adrian nicht zusammenhängende Warnungen in die Welt und informiert auch entsprechend die Kundschaft, mit der Adrian im Arbeitsprogramm zu tun hat. Zur Rede gestellt, muss sich die Betreuerin bei Adrian schriftlich entschuldigen. Doch das Hilfswerk geht nicht auf Adrians Forderung nach einer Wiedergutmachung ein. Er strebt nun ein Gerichtsurteil an.
Datenschutz für alle
Wie dieses Beispiel zeigt, ist für die Sozialhilfebehörden und ihre KlientInnen der Datenschutz erstrangig. Aus diesem Grund hatte auch das Komitee der Arbeitslosen und Armutsbetroffenen (KABBA) Bern seinerzeit gegen das neue bernische Sozialhilfegesetz das Referendum ergriffen.