



Gegen Neoliberalismus
Oswald Sigg
Seit Ende April dieses Jahres gibt es im Web die SP BüezerInnen (www.sp-buezer.ch), die sich auch Nationale Plattform der Sozialdemokratischen ArbeitnehmerInnen nennen. Die SP-BüezerInnen glauben, dass die SP-Mitgliedschaft kein repräsentatives Bild der Bevölkerung mehr abgibt.
Tatsächlich ist die SP heute eher eine wohlgenährte Mittelstandspartei geworden und das „Soziale“ in ihrem Namen ist dabei in Vergessenheit geraten. Die BüezerInnen wollen nun die Mutterpartei wieder vermehrt auf die ursprünglichen Werte der Sozialdemokratie und auf deren Wurzeln in der Arbeiterbewegung verpflichten.
Gegen die neue Postordnung
So rufen sie der SP-Geschäftsleitung in einem offenen Brief vom 21. April 2012 in Erinnerung, dass mit dem bevorstehenden Inkrafttreten der neuen Postgesetze (Postgesetz und Postorganisationsgesetz) die Privatisierung der Post vollzogen werden wird. Dies bedeutet: „Nochmals werden Hunderte von Poststellen geschlossen. Tausende von Arbeitsplätzen werden bedroht, weil das Postorganisationsgesetz Poststellen und Postagenturen gleichstellt. Die verbliebenen Postangestellten werden dem Obligationenrecht unterstellt, was bedeutet, dass die Post AG zwar noch eine Verhandlungspflicht, aber keine Abschlusspflicht über einen neuen Gesamtarbeitsvertrag mehr haben wird. Mitarbeitende und Postdienst-Abhängige akzeptieren dies nicht.“
Der Offene Büezer-Brief wirft der SP aber auch vor, sich zu wenig gegen den neoliberalen Abbruch von Bundesbetrieben wie der Post eingesetzt zu haben: „Wir begreifen und akzeptieren nicht, dass die Organisationen, die in diesem Land die Verteidigung der Arbeitenden und der öffentliche Dienste vertreten, nichts unternommen haben, um diese Privatisierung zu verhindern. Nun muss alles getan werden, damit diese Gesetze nicht in Kraft treten. Die Privatisierung der Post muss vereitelt werden.“
Der Aufruf kommt allerdings zu spät. Die Referendumsfrist gegen die beiden Postgesetze ist unbenutzt abgelaufen. In einigen Medien wurde noch vor kurzem das Gerücht verbreitet, die Initianten der Postinitiative – Syndicom und SP – wollten die Initiative zurückziehen, weil ihre Hauptforderung – ein genügend dichtes Poststellennetz – Politik und Post erfüllt hätten, wie etwa anfangs Juni 2012 im Tages-Anzeiger zu lesen war. Die Post will aber noch immer einen besseren Service public mit weniger Personal erbringen. Gerade deshalb ist es wichtig, dass ein aktiver und kritischer Teil der SP-Basis der Partei und den Gewerkschaften die Leviten liest.
Wer den stichhaltigen Grund der harschen Kritik der SP-BüezerInnen nicht sieht, soll doch auf der Website der Post nachlesen, was da auf uns zukommt: „Die neue Ordnung schafft den Rahmen für ausgezeichnete Dienstleistungen und eine weiterhin qualitativ hochstehende Grundversorgung für die Kundinnen und Kunden. Die Post erhält moderne Strukturen und unternehmerischen Handlungsspielraum für die Bewältigung ihrer vielfältigen Aufgaben in den vier Kernmärkten: Kommunikation, Logistik, Retailfinanzmarkt und öffentlicher Personenverkehr. Für die Post ist es wichtig, dass die Gesetze und die Verordnungen möglichst bald in Kraft treten.“
Das baldige Inkrafttreten ist der Post deshalb ein wichtiges Anliegen, weil bereits im nächsten Jahr die Postinitiative zur Abstimmung gelangt. Sie gibt eine ganz andere Postordnung durch:
„Die Bundesverfassung wird wie folgt geändert:
Art. 92 Abs. 3–5 (neu)
3 Der Bund garantiert allen Einwohnerinnen und Einwohnern ein flächendeckendes Poststellennetz und einen leichten und raschen Zugang zu allen Leistungen eines zukunftsorientierten Universaldienstes.
4 Er beauftragt die Schweizerische Post, das Poststellennetz mit Personal zu betreiben, das in einem Anstellungsverhältnis zur Schweizerischen Post steht.
5 Die Kosten für das Poststellennetz und den Universaldienst werden insbesondere gedeckt durch:
a. die Einnahmen aus dem Briefmonopol;
b. die Gewinne einer Postbank, die zu 100 Prozent der Schweizerischen Post gehört.“
Keine dieser berechtigten Forderungen ist mit den neuen Postgesetzen erfüllt.
Gegen globalisierende EU
Die SP-Büezer haben es aber auch auf die EU-Politik der Sozialdemokratischen Partei abgesehen. Es seien auch und gerade Sozialdemokraten und Gewerkschaften gewesen, die aus der EU ein letztlich erfolgreiches Wirtschaftssystem gemacht hätten. Doch jetzt drohe die EU „im Umfeld der Globalisierung in sich zusammen zu brechen. Der Einfluss linker Parteien und Gewerkschaften drohe im “schwarzen Loch” der Internationalisierung zu zerschellen.“
Für die SP-Büezer sind die Auflösungserscheinungen der EU nicht nur Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrisen, sondern eine Konsequenz der globalisierten Wirtschaft.
„Denn globalisiert werden nicht nur Produktions- und Administrativabläufe. Globalisiert werden auch Lohn- und Sozialleistungen. Das heißt in letzter Konsequenz, dass es den Sozialwerken der Schweiz an den Kragen geht. Auch sie werden internationalen Standards angepasst. Das bedeutet wiederum: Leistungskürzungen auf der ganzen Ebene – bis hin zur Bereitschaft der Wirtschaftselite, soziale Unruhen nicht nur billigend in Kauf zu nehmen, sondern diese bewusst zu schüren, in der Hoffnung, die Arbeiterschaft endgültig zu Sklaven zu machen.“
Die parteiinterne Kritik der SP-Büezer ist in einer Sprache gefasst, die an die junge und kämpferische Sozialdemokratie erinnert, als sie sich noch mit Vehemenz gegen die bürgerlichen Regierungsparteien zur Wehr setzte. Der Sozialdemokratischen Partei könnte nichts Besseres passieren, als dass sie von ihrer Basis an die eigene Geschichte erinnert wird.