



Politische Geisterfahrer
Oswald Sigg
Gibt es für SozialdemokratInnen Gründe, um mit Christoph Blocher und Konsorten gemeinsame Sache zu machen, Tisch und Bett zu teilen? Nein.
Für Blocher selbst waren Sozialismus und Sozialdemokratie auch schon ungefähr dasselbe wie der Nationalsozialismus. Heute würde er ein paar Genossen wohl eher zur Kategorie der nützlichen Idioten zählen. Im vergangenen Herbst las man in der Presse vom Projekt einer SP-Volksinitiative zur Bankensicherheit. Begeistert diktierte Nationalrat Corrado Pardini dem „Tages-Anzeiger“: „Herr Blocher findet sie nun interessant.“ Geradezu lustig war es, in der „Tages Woche“ - die „Neue Zürcher Zeitung“ zitierend – nachzulesen, wie in der Wandelhalle ein Fotograf vergeblich versuchte, die beiden Parlamentarier vor das Objektiv zu bekommen: Pardini hatte sich eilends davon gemacht. Das Interesse Blochers war umso scheinheiliger, als er vor über 30 Jahren schon die damalige SP-Bankeninitiative wie ein Berserker bekämpfte. Heute braucht es für die SP-Vorschläge zur Bankensicherheit gar keine Volksinitiative mehr. Die Positionierung der Banken in der Schweizer Wirtschaft ist eine Aufgabe von Bundesrat und Parlament und die SP kann in beiden Gremien dafür Mehrheiten erzielen. Eine SP-Volksinitiative von Blochers Gnaden wäre aber das Allerletzte, was sich die SP-Basis bieten liesse. Oder glauben die „vernünftigen SPler“ (Blocher dixit), zu denen auch Nationalrätin Susanne Leutenegger-Oberholzer gehören soll, im Ernst, die SP-Basis würde dafür noch Unterschriften sammeln?
„Soziale Gerechtigkeit“ via Verstärkung der Aktionärsmacht
Doch über Volksinitiativen scheint man sich näher zu kommen. Die „NZZ“ stellte nach der Annahme der Abzockerinitiative SP-Präsident Christian Levrat die richtige Frage, ob er Thomas Minder einen Platz in seiner Fraktion angeboten habe. Levrat begann seine Antwort mit einer Huldigung an die Adresse des Initianten: „Thomas Minder ist ein bürgerlicher Politiker, und das wird er bleiben. Es gibt eben auch vernünftige Leu-te bei den Bürgerlichen.“ Auf die Frage, warum die SP die Abzockerinitiative, die ja nur die Aktionärsrechte verstärke, befürwortet habe, antwortete Levrat ähnlich wie ein anderer Spitzengenosse, nämlich der Fraktionschef Andy Tschümperlin: „Wir wollen die soziale Gerechtigkeit fördern.“ Das ist noch heute Schwachsinn. Die Abzockerinitiative hatte etwa so viel mit sozialer Gerechtigkeit zu tun, wie die Masseneinwanderungs-Initiative der SVP, die am 9. Februar 2014 zur Abstimmung kommen wird. Kein bürgerlicher Politiker, keine bürgerliche Politikerin ausserhalb der SVP hat sich bisher dafür ausgesprochen. Doch jetzt bekommt die Blocher-Partei Schützenhilfe. „Minder übernimmt“, meldete der “SonntagsBlick“ kürzlich auf der Titelseite. Ein Geschenk des Himmels. „Er wird in der Vorweihnachtswoche auftreten und sich für unsere Masseneinwanderungs-Initiative starkmachen“, frohlockte SVP-Generalsekretär Martin Baltisser. Neuerdings hat sich Rudolf Strahm an die Spitze der Rangliste „vernünftiger SPler“ gesetzt, indem er ein Ja zur Masseneinwanderungs-Initiative empfiehlt und behauptet, die sozialdemokratische Wählerschaft sei „weitherum“ dieser Meinung.
Levrat im medialen Schatten Blochers
Zurück zu Christoph Blocher. Sein SP-Liebling scheint Christian Levrat zu sein. In der „Arena“ traf er auf ihn und im “Migros Magazin“. Vor Jahren schon – zusammen mit Nicolas Hayek – traten Levrat und Blocher gemeinsam gegen die Großbanken an. Und dieser Tage sitzen die beiden auf der Bühne des Zürcher Bernhard-Theaters. Kunststück: wenn Blocher mit Levrat auftritt, ist der Nutzen auf seiner Seite gleich doppelt. Er hat zu jedem Thema ein leichtes Spiel, seinen Kontrahenten in die Ecke zu drängen und er kann jedes Mal zeigen, wer in der SVP der wirkliche Chef ist, noch immer. Und manchmal finden die beiden Exponenten ja sogar noch Gemeinsamkeiten. Dies vor allem deshalb, weil Levrat gar nicht schlagfertig genug ist, um auf jede Absurdität Blochers eine vernünftige Antwort zu geben. Und wenn eine solche Show irgendwo über die Bühne geht, werden die bürgerlichen PolitbeobachterInnen in ihrer profunden Analyse vom Zusammenwirken der beiden „Pol-Parteien“ bestätigt. Der SP-Parteipräsident kann sich ja schon fast von Amtes wegen mit allen Parteien und somit auch mit der SVP auseinandersetzen. Aber das sollte er, wenn schon, mit seinem Kollegen, SVP-Präsident Toni Brunner, tun.
So wertet man diese Jahrhundertfigur („Tages-Anzeiger“) noch auf: indem man sich in seinem gleissenden Licht der Medien sonnt. Und erst noch Fragen diskutiert, die Blocher zu bestimmen scheint und bei denen er immer das letzte Wort hat, selbst wenn es sein Gegenüber gar nicht merkt. Und so gibt man denn auch dem abgewählten Bundesrat keinerlei Gelegenheit, einmal wirklich abzutreten und loszulassen, obschon gerade ihm der politische Ruhestand herzlich zu gönnen wäre. Um mit automobiler Logik zu schliessen: Nicht Blocher ist der Geisterfahrer, sondern jene GenossInnen, die ihn auf der Gegenfahrbahn zu überholen versuchen.