



Offene Türen im Internetcafé „Kafi Klick“ Zürich
Henriette Kläy
Am 10.7.13 lud das Kafi Klick, ein Bereich der IG Sozialhilfe, an der Müllerstrasse 56 in Zürich zu einem Tag der offenen Tür ein, um allen Interessierten Einblick in seine Arbeit zu gewähren. Es wurde gezeigt, wozu Selbsthilfe für Arbeitslose, Ausgesteuerte, Armutsbetroffene fähig sein kann.
An diesem sommerlichen Juli-Nachmittag stehe ich nach einer schwülen Zugfahrt und einigem Zick-Zack durch die Gassen des Kreis 4-Quartiers vor einer grossen Holztüre. Die Anschrift „Kafi Klick“ ist schon von weitem zu lesen, aber die zwar deutlichen Hinweise, dass der Eingang sich auf dem rückseitigen Hof befinde, habe ich zuerst übersehen. So geht es vermutlich den meisten, das weiss ich aus eigener Erfahrung, wenn man als Bittsteller auf ein unbekanntes Ziel zusteuert und vorerst einmal nur auf das Wesentliche – den Eingang - fixiert ist, ohne auf die Details zu achten.
Als ich aufatmend um die Ecke in den schattigen Hof biege, empfängt mich einladend eine weit geöffnete Türe, durch die ich in eine geräumige Küche eintrete. Überhaupt sind hier alle Türen offen, und durch das dahinter liegende Zimmer flutet goldenes Sonnenlicht durch die beschatteten Fenster bis in die Küche hinein. Gemütliches Gemurmel und fröhliches Gelächter ist zu hören, ich tauche ein in eine wohltuend herzliche und familiäre Atmosphäre und fühle mich sofort dazugehörig – ich bin Jedermann bzw. -frau und als solche unbesehen willkommen - im Gegensatz zu „draussen“ sogar sozusagen normal.
Zwei freundliche Mitarbeiterinnen begrüssen mich unaufdringlich, geben mir erst einmal die Gelegenheit, mich umzusehen und zurechtzufinden. Das Sonnenzimmer: keine Maschinen in Reih und Glied, eher eine wohlige Wohnstube, gemütliche Arbeitsplätze hier und dort, viel Holz, Wärme, Licht. Auf einem Tisch bieten sich lecker aussehende Brötchen an, man darf sich einfach bedienen. An der Wand ein umfangreiches, vielfarbiges Angebot an zweckdienlichen Informationen, das zum Stöbern anregt. Damit wird neben der Gratis-Benützung und entsprechender professioneller Instruktion das zweite Hauptziel des Internet-Kafis überzeugend bewusst, nämlich ein Ort zu sein, wo armuts- bzw. herkunftsbedingte Isolation durchbrochen werden kann, wo zwischen Menschen allen erdenklichen Hintergrunds ganz natürlich Kontakt, Erfahrungs- und Informationsaustausch möglich wird, der sonst nirgendwo in unserer leistungszwangsgebeutelten Gesellschaft so selbstverständlich stattfindet.
Am Küchentisch bekomme ich nebst wohltuendem Kafi (es wäre integrationspolitisch unkorrekt, als Bernerin hier das bernische „Ggaffee“ anzuwenden) Einblick in den Kafi Klick-Alltag und ausführliche Informationen zu Leitidee, Betrieb und Geschichte – ein eindrückliches Beispiel dafür, was unbeirrbare Einsicht in das Notwendige und Solidarität unter den scheinbar Wehrlosen trotz allen politischen Widrigkeiten und der finanziellen Dauerbelastung zustande bringt.
Unmerklich sind die Stunden vergangen und ich muss mich plötzlich beeilen, um meinen Zug nicht zu verpassen. Auf der Rückfahrt lese ich die Unterlagen. Das Konzept ist so einfach und klar, die Notwendigkeit so unanfechtbar, dass es mir schwerfällt zu verstehen, warum ein reicher Staat wie die Schweiz es den überzähligen und wegrationierten Mitbürgern selbst überlässt, für sich die in der Verfassung garantierten menschenwürdigen Bedingungen und Hilfestellungen zu erschaffen. Die Antwort ist natürlich klar: das rentiert nicht, dient nicht dem Popanz Wachstum, und dann sickert noch das abgestandene Abwasser aus den Kloaken des mittelalterlichen Aberglaubens an Selbstverschuldung und Gottgewolltheit hervor. So einfach ist das.
Trotzdem, ich fühle mich bestärkt und bestätigt und meine Zuversicht in die Zunft der Armutsbetroffenen ist wieder ein Stückchen gewachsen, persönlicher Einsatz lohnt sich eben doch. Fast bedaure ich es ein wenig, dass ich einen eigenen Laptop habe. Aber jedenfalls weiss ich jetzt, wo ich einen Kaffee trinke, wenn ich das nächste Mal in Zürich bin.
Einige Daten:
Kafi Klick, Müllerstrasse 56, 8004 Zürich
Tel. 043 243 98 38, E-Mail: info@kafiklick.ch, Web: www.kafiklick.ch
Öffnungszeiten: Mo 14:00 – 18:30, Di 14:00 – 18:30, Mi 14:00 – 18:30
Das Kafi Klick wurde 2009 als Bereich der IG-SOZIALHILFE gegründet, eines gemeinnützigen, steuerbefreiter Vereins.
Es hat zum Ziel, armutsbetroffenen Menschen in der Stadt Zürich einen kostenlosen Zugang zum Internet mit professioneller Anleitung zur Selbsthilfe zu bieten.
Ebenso wichtig ist das Kafi Klick heute auch als Treffpunkt zum Erfahrungs- und Informationsaustausch, wodurch die Menschen aus ihrer armuts- und herkunftsbedingten Isolation herausgeholt werden können. Die Betreuung erfolgt hauptsächlich durch freiwillige MitarbeiterInnen mit entsprechender Ausbildung, welche selbst von Armut betroffen sind, sowie durch einen festangestellten operativen Leiter.
Die BenutzerInnen sind „deutsch- und fremdsprachige SozialhilfebezügerInnen, Einheimische und MigrantInnen mit mangelhaften Orthographiekenntnissen, Langzeitarbeitslose ohne Computer und Internetkenntnisse, anerkannte Flüchtlinge, die in Kontakt mit ihren in der Heimat verbliebenen Familien und Freunden bleiben wollen, AHV-RentnerInnen mit Ergänzungsleistungen, die sich mit der modernen Welt auseinandersetzen möchten“. Der Tagesdurchschnitt liegt heute zwischen 30 und 55 Besuchern täglich, Tendenz steigend. Viele werden durch die städtischen und andere soziale Institutionen an das Kafi Klick verwiesen, ein grosser Teil folgt aber auch KollegInnen und Landsleuten, welche das Kafi schon benutzen.
Wie alle Unternehmen im Umfeld und zugunsten von wenig zahlungskräftigen Menschen hat das Kafi Klick mit extrem grossen finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen, da mit ihnen kein prestigeträchtiges und werbewirksames Sponsoring zu betreiben ist. Daher weisen viele Stiftungen die Gesuche zurück. So wird das Kafi Klick hauptsächlich finanziert durch den Eigenaufwand der IG Sozialhilfe, durch Unterstützungsgelder der Stadt Zürich und durch Spenden von Institutionen und Privatpersonen. Jede Spende auf das PC-Konto 85-660545-4 IG Sozialhilfe/Kafi Klick wird als Sicherung der Fortdauer, als Anerkennung für den enormen, freiwilligen Einsatz und somit als neuer Lichtblick mit grosser Dankbarkeit entgegengenommen.
Die BenutzerInnen beteiligen sich gemäss ihren Möglichkeiten mit einer Kollekte, und die Gratis-Verpflegung wird kostenlos vom Verein Schweizer Tafel angeliefert.
Der Betrieb soll für die BenutzerInnen möglichst niederschwellig ablaufen. So gibt es z.B. keine fixen Termine und Anmeldungen, und es müssen weder Ausweise vorgewiesen noch Legitimationsbeweise erbracht werden. Eventuelle Wartezeiten fördern den sozialen Kontakt. Grösster Wert wird auf Qualität, Sorgfalt und Datenschutz, gleiche Rechte für alle und auf Achtsamkeit gelegt. Stete Weiterbildung der Mitarbeiter, regelmässige Team-Sitzungen, Umfragen und Gespräche mit den Benutzern, das Führen von Statistiken sowie eine konzise Hausordnung gewährleisten das Einhalten und Anpassen der gesteckten Ziele.
Für weitergehende Informationen steht Branka Goldstein jederzeit gerne zur Verfügung, Gründerin und Präsidentin der IG Sozialhilfe, Bereichsleiterin sowie Herz und Seele des Kafi Klick. Für ihren Mut, ihr Durchhaltevermögen und ihren unermüdlichen Einsatz für die Verbesserung der Situation armutsbetroffener Menschen gebührt ihr höchster Respekt und grosser Dank. Hier kann man mit Fug und Recht sagen: nomen est omen.
Branka Goldstein: 079 343 66 43, ig-sozialhilfe@gmx.ch, www.ig-sozialhilfe.ch